Schäuble ist ein Versager der bis jetzt Glück gehabt hat

Mit der Bundestagswahl am 
22. September könnte die Amtszeit von Wolfgang Schäuble beendet sein. Mit Blick darauf, wer anstelle Schäubles für die Opposition als potenzieller Finanzminister gehandelt wird, dürfte bei vielen Wählern das Gefühl aufkommen, zwischen der sprichwörtlichen Pest und Cholera wählen zu müssen.

Als Finanzminister Schäuble Anfang Juli die Finanzplanung bis zum Jahr 2017 vorlegte, war eine Form von Selbstlob nicht zu überhören. „Wir haben damit wesentlich mehr erreicht als alle Beobachter am Anfang der Legislaturperiode für möglich gehalten hätten“, so Schäuble. Schaut man genauer hin, ist bei dem Erreichten viel Glück und weniger eigene Leistung erkennbar. Profitiert hat Schäuble zum einen von den extrem niedrigen Zinsen für Kredite des Bundes. Der Hauptgrund dafür, dass Schäuble bisher besser als viele seiner Amtskollegen in der Euro-Zone über die Runden gekommen ist, ist aber ein anderer: Bund und Länder haben Rekordeinnahmen an Steuern. Allein für das laufende Jahr gehen die Steuerschätzer von einem Gesamtaufkommen von über 615  Milliarden Euro aus. Freuen kann sich Schäuble noch über einen anderen Rekord: Die Arbeit von Steuerfahndern hat im Jahr 2011 erstmals mehr als eine Milliarde Euro zusätzlich in die Staatskasse gebracht. 
Spielraum, angesichts der üppig fließenden Einnahmen durch Steuersenkungen die Bürger zu entlasten, sieht Schäuble dennoch nicht. Der Wille, unnötige Subventionen abzuschaffen, ist genauso wenig erkennbar. Auch bei dem, was Schäuble der Öffentlichkeit als erfolgreichen Konsolidierungskurs verkaufen will, kann den Bürgern nur Angst und Bange werden: Ende März stand allein der Bund mit rund 1286 Milliarden Euro in der Kreide.  Länder und Kommunen erhöhten den staatlichen Schuldenberg um weitere 770 Milliarden Euro. Hinzu kommt eine Zeitbombe in Schäubles Hinterlassenschaft, deren Brisanz noch gar nicht einzuschätzen ist: Milliardenüberweisungen, Bürgschaften und geduldete Rechtsbrüche im Zuge der „Euro-Rettung“. 
Ausmaß und Risiken der Verpflichtungen, die der von vielen Medien als „letzte überzeugte Europäer“ bezeichnete Minister eingegangen ist, werden wahrscheinlich erst im Laufe der Zeit voll absehbar sein. Auch die eingegangene „Schuldenbremse“ dürfte sich noch als böse Überraschung herausstellen. Korrekterweise handelt es sich nämlich um eine  „Defizitbremse“. Der gewichtige Unterschied: Bestimmte Zahlungen, wie etwa an den Euro-Rettungsfonds ESM, sind de facto neue Staatschulden, aber sie sind nicht defizitwirksam. Im Klartext: Deutsche Straßen und Universitäten werden künftig verfallen, um die Regeln der Schuldenbremse einzuhalten. Milliardentransfers auf Pump über den Euro-Rettungsfonds ESM an die Euro-Südschiene hingegen erhöhen zumindest nach den Regeln der sogenannten Schuldenbremse den Schuldenberg nicht. 
Mit Blick darauf, wer anstelle Schäubles für die Opposition nach dem 22. September als Finanzminister gehandelt wird, dürfte bei vielen Wählern das Gefühl aufkommen, zwischen der sprichwörtlichen Pest und Cholera wählen zu müssen. Die SPD hat für ihr „Kompetenzteam“ erstaunlicherweise überhaupt keinen Experten für den Bereich Finanzen aufgestellt. Im SPD-Schattenkabinett für die Bundestagswahl gilt das Ressort damit als Chefsache von Peer Steinbrück. Ob dieser im Falle eines Wahlerfolges tatsächlich sowohl das Amt des Kanzlers als auch das des Finanzministers schultern will, darf bezweifelt werden. Wahrscheinlicher ist, dass Steinbrück momentan nur als Platzhalter agiert. Jetzt schon einen konkreten Namen für das heikle Ressort bekannt zu geben, könnte sich für die SPD als weiterer Rohrkrepierer im Zuge ihres ohnehin holprigen Wahlkampfes  erweisen. Auf einen möglichen Kandidaten für den Posten hat inzwischen der Wirtschaftsinformationsdienst Bloomberg aufmerksam gemacht: Jörg Asmussen, der momentan im Direktorium der EZB sitzt. Ausgestattet ist Asmussen sowohl mit Erfahrungen im Finanzministerium als auch mit  einem SPD-Parteibuch. Sollte es zu einer großen Koalition kommen, könnte Asmussen wahrscheinlich sogar mit der Zustimmung der CDU rechnen. Zwar diente er als Staatssekretär zunächst unter den SPD-Finanzministern Hans Eichel und Peer Steinbrück. Er überlebte aber den dann folgenden politischen  Machtwechsel und setzte seine Karriere problemlos unter Wolfgang Schäuble fort. Ein potenzieller Finanzminister Asmussen dürfte allerdings bei den Steuerzahlern Bauchschmerzen verursachen. Für sie wurde es auffällig oft sehr teuer, sobald Asmussen in der Vergangenheit im Auftrag des Finanzministeriums involviert war, sei es beim salonfähig machen des umstrittenen Kreditverbriefungsmarktes oder bei kostspieligen Ban-kenrettungen wie für die IKB oder die Hypo-Real Estate. 
Sollte es im September zu der von Steinbrück gewünschten rot-grünen Koalition reichen, ist wahrscheinlich aber mit einer anderen Besetzung zu rechen. In diesem Fall könnte das Finanzressort der Preis sein, den die SPD den Grünen für den Einstieg in die Koalition zahlt. Ein möglicher Kandidat: Jürgen Trittin. Bereits seit geraumer Zeit tingelt der Ex-Umweltminister durch die Talkshows der Republik und gibt die Rolle des „Finanz- und Steuerexperten“.  
Norman Hanert